Effektiver Muskelaufbau: So geht es richtig
Deutschland ist eine sportbegeisterte Nation. Immerhin zwei Drittel der Erwachsenen trainiert regelmäßig, sagt eine Umfrage der Europäischen Kommission. Im europäischen Durchschnitt bedeutet das immerhin Platz sieben, gemeinsam mit den Niederlanden, Luxemburg und Ungarn.
Besonders beliebt sind dabei Laufen, Radfahren und andere Ausdauersportarten; deutlich weniger Wert dagegen legen die Deutschen auf das Krafttraining. Nur ein Fünftel aller Aktiven arbeitet regelmäßig am Muskelaufbau – und das sollte sich ändern.
Denn ein gut trainierter Muskelapparat verbessert nicht nur Schnell- und Maximalkraft. Krafttraining vermindert außerdem das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Die WHO rät daher zu mindestens zwei muskelkräftigenden Aktivitäten pro Woche.
Wie du deine Muskeln am effizientesten trainierst und worauf du sonst noch achten musst, verraten wir die in diesem Beitrag. Begleitet werden wir dabei von einem, der sich bestens auskennt: Sportwissenschaftler Marcel Winkelmann steht uns wie immer mit Rat, Tat und seinem umfangreichen Wissen zur Seite.
So funktioniert der Muskelaufbau im Körper
Krafttraining ist nicht nur was für Bodybuilder, sondern wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebens. Wir brauchen unsere Muskeln ständig, egal ob beim Einkaufen, Sitzen, Liegen, Denken oder beim Sprint zum Bus. Sie sind eine der Grundlagen für unser Überleben.
Was passiert in deinem Körper beim Muskelaufbau
Marcel erklärt uns dazu:
„Der Muskelaufbau ist ein hochkomplexer Vorgang, an dem immer noch geforscht wird. Zahlreiche Faktoren spielen eine wichtige Rolle, etwa der Metabolismus oder das Nerven- und Hormonsystem. Was wir nach dem jetzigen wissenschaftlichen Stand sicher für unser Training berücksichtigen können:
Muskeln müssen einen Schwellenreiz überschreiten, um weiter Gewebe aufzubauen. Diesen erreichen wir durch Kontraktion, also indem wir sie anspannen. Bei Belastungen oberhalb dieses Schwellenreizen ermüdet der Muskel und die Proteinbiosynthese wird aktiviert.
Auf diesen Reiz reagiert unser Organismus. Indem er die betroffenen Stellen mit Muskel verstärkt. Das ist das Prinzip der Superkompensation. Durch jeden gesetzten Reiz der den persönlichen Schwellenreiz überschreitet, bauen wir also ganz allmählich ein immer stärkeres Muskelgewebe auf.“
Das Training nicht übertreiben
Dennoch ist es kontraproduktiv den Muskel zu hart zu beanspruchen, denn du wirst in ein paar Wochen nicht aussehen wie Arni zu seinen besten Zeiten, sondern eher im Gegenteil:
„No Pain no Gain ist nicht effizient. Denn wenn der Trainingsreiz zu intensiv wird, beginnt der Körper das Stresshormon Cortisol auszuschütten und dieses hemmt in größeren Mengen die Proteinbiosynthese.
Trainierst du zu intensiv und erzeugst damit einen hohen Cortisolspiegel, baust du Muskeln ab und nicht auf.“
Aber keine Angst vor Cortisol, denn jeder von uns braucht etwas davon im Körper, um zu überleben; ziemlich nützlich war es zum Beispiel, wenn unsere Vorfahren auf der Jagd vor einem Bären flüchten mussten. Nur in hohen Dosen ist es kontraproduktiv für den Muskelaufbau.
Lesetipp: Regeneration nach dem Sport.
Krafttraining: Der optimale Trainingsplan
Für den Muskelaufbau solltest du am Ball bleiben.
Muskelaufbau lebt also von Kontinuität. Dementsprechend gestaltet sich auch der perfekte Trainingsplan.
Dazu Marcel:
„Viel wichtiger als die Intensität ist beim Krafttraining die Kontinuität. Einmal alle zwei Wochen so krass trainieren, dass du anschließend vor lauter Muskelkater tagelang nicht laufen kannst, bringt gar nichts. Trainiere lieber so:
- Dreimal die Woche zum Training
- Dabei je nach Trainingsstand drei bis sieben Sätze pro Muskelgruppe pro Training
- Anfänger dagegen starten am besten mit einem Satz ins Training
- Jeder Satz besteht aus sechs bis zehn Wiederholungen
- Lieber weniger Gewicht, dafür mehr Wiederholungen
- Zum Erhalt der momentanen Muskulatur reicht bereits eine Einheit pro Woche
So kommst du in der Woche auf rund zehn bis 20 Sätze für jede Muskelgruppe. Essenziell dabei ist, dass du immer auf deinen Körper hörst. Wenn du nach dem dritten Satz in der Beinpresse merkst, dass deine Beine ordentlich beansprucht wurden, hast du bereits erreicht, was du wolltest und kannst diese Übung guten Gewissens abschließen.“
Mit Spannung
„Achte bei jeder einzelnen Wiederholung außerdem auf deine Körperspannung“, erklärt Marcel weiter. „Jede Übung musst du ganz bewusst durchführen. Es gibt viele Menschen, die etwa bei einer Glute Bridge zwar die Rückenmuskulatur einsetzen, aber das Gesäß nicht anspannen. So ist das Training wenig effektiv.“
Ebenso wichtig ist die Gegenbewegung. Wenn du zum Beispiel Liegestütze machst, drücke dich nicht ausschließlich mit guter Körperspannung hoch, um dich anschließend einfach auf den Boden plumpsen zu lassen. Lasse dich ebenso bewusst wieder sinken und baue die Spannung langsam und kontinuierlich ab. Kontraktion und Gegenkontraktion bilden eine symbiotische Einheit.
Der Stressfaktor
Weiterhin rät Marcel: „Orientiere dich bei deinem Training immer an deinen momentanen Lebensumständen. Wenn du Stress im Job oder im Privaten hast, tanzt dein Hormonhaushalt sowieso schon Samba. Viel mehr Stresshormone kann dein Körper jetzt nicht gut vertragen. Schraube deine Trainingsintensität also etwas zurück.
Wenn du allerdings komplett entspannt bist, zum Beispiel im Urlaub oder in den Semesterferien, darf es auch mal etwas mehr Workout sein.“
Das Wichtigste beim Krafttraining
„Das Allerwichtigste beim Krafttraining – und bei jeder anderen Form von Sport auch – ist aber, dass du Spaß hast. Wenn du dich zum Training quälst, vergeht dir schnell die Lust und schon bald lässt du es ganz bleiben. Trainiere deshalb immer so, dass du einen Tag nach der Einheit direkt Bock auf die Nächste bekommst.“
Hältst du dich an den Trainingsplan und an Marcels Ratschläge, dann werden sich schon bald die ersten Erfolge einstellen. Zwar nicht über Nacht, denn, wie zuvor erwähnt, ist der Muskelaufbau ein Prozess, der Kontinuität voraussetzt. Aber nach vier bis neun Monaten wirst du einen deutlichen Unterschied sehen, wenn du vor den Spiegel trittst.
Ernährung für den Muskelaufbau
Wenn du jetzt mit dem Muskelaufbau loslegst, darfst du natürlich deine Ernährung nicht außer Acht lassen; denn irgendwo müssen die Nährstoffe ja herkommen, aus denen dein Körper das neue Muskelgewebe herstellt.
Auch hier hat Marcel einen Rat für uns:
„Zum Muskelaufbau benötigst du einen kalorischen Überschuss. Aber fang jetzt bitte nicht an, dir jeden Tag eine Tüte mit Gummibären reinzuschrauben. Als Sportwissenschaftler empfehle ich natürliche Energieträger wie Reis, Linsen oder Tofu. Sollten dir diese Lebensmittel zu stopfend sein, dann greife am besten zu Nüssen, die eine besonders hohe Energiedichte besitzen.“
Als Faustregel, um Muskeln aufzubauen gilt: 200 bis 500 Kilokalorien über den täglichen Energieumsatz einzunehmen, damit genug Reserven für den Muskelaufbau bleiben. Aber Vorsicht! Die meisten von uns futtern jeden Tag sowieso schon mehr Kalorien, als sie verbrauchen. Passe deine Ernährung also langsam an, sonst verstecken sich deine neuen Muskeln unter einer Schicht aus Speck.
Für den optimalen Energieumsatz ist außerdem eine gesunde Darmflora entscheidend. Die Milchsäurebakterien, die dort den Hauptteil der Arbeit verrichten, freuen sich ganz besonders über Sauerkraut und Vollkornprodukte.
Wir wünschen guten Appetit!
Muskelaufbau muss nicht super anstrengend sein
Durch Kontinuität wirst du bald so stark wie eine Blattschneiderameise
Du siehst, Muskelaufbau ist gar nicht so kompliziert und weniger anstrengend, als so mancher uns weiß machen will. Denn wichtiger als Intensität ist die Kontinuität. Regelmäßig eine Handvoll Sätze bringt dir mehr, als tonnenschwere Hanteln zu stemmen.
Und das ist gut so, denn wohltrainierte Muskeln machen dich nicht nur fitter und leistungsfähiger, sondern sind auch ein wesentlicher Baustein für deine Gesundheit. Ob du mit Geräten im Studio trainierst oder zu Hause mit Gewichten deine Muskeln aufbaust, spielt keine Rolle. Hauptsache, du hast Spaß dabei.
Wenn du dann noch ein wenig auf deine Ernährung achtest, ist der durchtrainierte Body schon fast in Reichweite. Aber jetzt ist Schluss mit grauer Theorie. Schnapp dir deine Hanteln und lege am besten noch heute los!
Julia Baransky ist Content-Enthusiastin bei inara schreibt. Technisches Know-how und strukturierte Lösungen sind Julias Stärken. Durch ihr analytisches Denkvermögen versteht sie Zusammenhänge wie keine andere. Mit ihren sorgfältig recherchierten Texten, nimmt sie dich mit auf die Reise in ferne Welten.
Titelbild von Jonathan Borba. Weitere Bilder von Mark Duffel und Vlad Tchompalov.